Prof.Dr. Hakkı Keskin hat den gescheiterten Putschversuch in der Türkei kommentiert.
ELBE EXPRESS/REDAKTION
Prof. Dr. Hakkı Keskin
DER GESCHEITERTE PUTSCH-VERSUCH IN DER TÜRKEI
Bei dem gescheiterten Putschversuch in der Türkei am 15. Juli 2016 kamen 240 Menschen ums Leben und 2080 Personen wurden verletzt. Hunderte Menschen stellten sich vor Panzer, manche wurden überfahren. Auf Protestierende wurde mit Maschinengewehren geschossen. Selbst das Parlamentsgebäude wurde mit Bomben beschossen und Teile davon wurden erheblich beschädigt.
Gegen diesen Putschversuch und für die Demokratie fanden seit dem 16. Juli täglich an vielen Orten des Landes Kundgebungen statt, an denen viele Millionen Menschen unterschiedlicher politischer Orientierung teilnahmen. An der Abschluss-Kundgebung am 7. August 2016 in İstanbul beteiligten sich neben Regierungs- und Oppositionsparteien mehr als 4 Millionen Demonstranten. Das türkische Volk hat sich entschieden für die Demokratie und gegen den Putsch eingesetzt. Es wäre falsch, diese Massenveranstaltungen lediglich als „pro Erdoğan“ zu interpretieren, wie dies oft in den Medien dargestellt wurde.
In der türkischen Presse erschien eine Liste von 50 Personen, die von den Putschisten getötet werden sollten. Darunter waren Staatspräsident Erdoğan, der Ministerpräsident Yıldırım, einige Kabinettsmitglieder, aber auch namhafte Politiker und Journalisten, die als entschiedene Gegner Erdoğan und der Regierung sowie als Kemalisten (Anhänger der Ideen Atatürks) bekannt sind. Wäre dieser Putsch erfolgreich gewesen, wäre es mit größter Wahrscheinlichkeit zu einem blutigen Bürgerkrieg im Lande gekommen.
Hüseyin Gülerce war mehr als zwei Jahrzehnte der engste Verbündete Gülens, Chefredakteur und Inhaber der Zeitung Zaman sowie bis 2013 Moderator in einigen Programmen von Gülen-Sendern. Er hat sich des Öfteren mit Gülen in seinem Wohnort Pennsylvania/USA getroffen. In einer fast fünfstündigen CNN-Sendung erklärte er am 1.8.2016 im Einzelnen, wie diese Sekte geheimbundmäßig arbeitet und wie Gülens Persönlichkeit einzuschätzen ist. Er hat darüber auch das umfassende Buch „Gülens Hypnose-Bewegung“ (türk.: „FETO-Hipnoz-Hareketi“) publiziert. Gülen lässt seine Anhängerschaft wissen, dass er sich in seinen Träumen mit Prophet-Mohammed unterhalte und des Propheten Empfehlungen folgeleiste. Er sei ein „Mahdi“, eine Art endzeitlicher Erlöser. Dies wurde auch von anderen Anhänger Gülens berichtet.
Am 5. September 2016 und in weiteren Folgesendungen wurde ebenfalls auf CNN-Türk der als „rechte Hand Gülens“ geltende Mitbegründer der Gülen-Organisation Nurettin Veren mehr als fünf Stunden lang interviewt. Veren hat 36 Jahre lang mit Gülen eng zusammengearbeitet, viele Jahre im gleichen Haus gewohnt und galt als zweiter Mann in der Organisation. Als er Ende der 90-er Jahre in einer konspirativen Veranstaltung Gülens, an der Hunderte junge Offiziere, Landräte und Juristen teilnahmen, die wahren Absichten Gülens erfuhr, hat er sich von ihm getrennt. Dabei soll Gülen den jungen Teilnehmern gesagt haben, „Sie sind dazu da, bis in das Kapillargefäß der Armee, des Justizwesens und der Stadtverwaltung einzusickern. So werden wir in der Lage sein, uns den Staat zu Eigen zu machen.“ Diese Aussage Gülens ist in der Presse bereits bekannt gewesen.
Veren hat inzwischen drei Bücher über die Gülen-Organisation geschrieben und die Verantwortlichen bereits fünf Monate vor dem Umsturzversuch von dem geplanten Putsch informiert. Laut Veren arbeitet Gülen im Dienste der CIA. Gülen habe versucht, ihn vor erst bestechen und dann mehr als einmal ermorden zu lassen. Seine Darstellung über Gülen und seine Organisation führte ebenfalls zur Fassungslosigkeit.
Am 8.8.2016 wurde ein weiteres mehrstündiges Gespräch auf CNN-Türk gesendet. Latif Erdoğan, ebenfalls einer der engsten ehemaligen Mitstreiter Gülens, zuständig für Kontakte zu Medien, hohen Bürokraten und Politikern, berichtete, dass in Gülen-Schulen und -Kursen für Erwachsene rund 100 Suren aus Koran so interpretiert wurden, als verwiesen diese auf Gülen.
Obwohl Gülen eigentlich ein Rassist sei, so Latif Erdoğan, habe er mit der Terror Organisation PKK zusammengearbeitet. Nach ihm steht Gülens Bewegung im Dienste der CIA. Einige Morde, so die Ermordung der armenisch stämmigen bekannten Journalisten Hrant Dink, des Wissenschaftler Necip Hablemitoğlu und des Politikers Muhsin Yazici gehen mit hoher Wahrscheinlichkeit auf sein Konto. Gülen selbst habe Latif Erdoğan gesagt, dass er Erdoğans Telefone 20 Jahre lang abhören ließ.
Personen, die mit Hilfe der Gülen-Organisation im öffentlichen und privaten Dienst eingestellt wurden, müssten rund 10 Prozent ihres Gehaltes für Gülen spenden. Auch viele Geschäftsleute, Sportler etc. haben dieser Organisation reichlich gespendet, oft in der Überzeugung, dass die Gülen-Bewegung lediglich für die islamische Religion arbeite.
Am 9.8.2016 sendete CNN-Türk ein mehrstündiges Gespräch mit Said Alpsay, der 16 Jahre lang in der Gülen-Organisation für den Ankauf von Spitzen-Fußballern tätig war. Er berichtete ausgiebig und namentlich, welche National-Fußballer, die meisten vom Fußballclub-Galatasay, insgesamt 450.000 Dollar auf unterschiedlichen Wegen direkt nach Pennsylvania brachten und Gülen spendeten. Ein Foto dieser Fußballer mit Gülen wurde gezeigt. Viel gravierender war jedoch, dass diese Nationalspieler dafür eingesetzt wurden, mit ihren selbst unterschriebenen Trikots große Geschäftsleute zu besuchen, um diese für die Gülen-Organisation zu gewinnen.
Nicht nur die zahlreichen Publikationen Gülerces, Verens, Erdoğans, Avcis und vieler anderer, sondern auch die Erläuterungen, Geständnisse oder Aussagen von festgenommenen Gülen-Anhängern stellen erschreckende Beweise dar und lassen keinen Zweifel daran, dass der Putschversuch auf Befehl Gülens gestartet wurde. Dieser Putschversuch ging von zahlreichen Gülen-Anhänger im Militär und ohne Wissen und Beteiligung der Armeeführung aus. Selbst der Generalstabschef und die Kommandanten des Heeres wurden von den Putschisten vorerst festgenommen und gedrängt, den Putsch zu unterstützen. Dank deren massiven Widerstands und dank der Massenproteste der Bevölkerung scheiterte der Putsch.
Viele Informationen und Hinweise deuten zugleich darauf hin, dass Gülen im Dienste der CIA steht bzw. von der CIA benutzt wird. Dies hat auch der ehemalige Generalstabchef der Türkei İlker Başbuğ in einem Fernsehinterview am 1. August dieses Jahr erläutert.
Unter der Überschrift „Das Gülen-Netzwerk: Eine CIA-Kreation zur besseren Kontrolle der islamischen Welt” stellt Engdal fest: “Tatsächlich handelt es sich um einen vom amerikanischen Geheimdienst CIA initiierten Putschversuch, bei dem sich die CIA ihres wichtigsten Aktivpostens in der Türkei, des Netzwerks von Fethullah Gülen, bediente.” F.William Engdahl, Kopp Online, 24.7.2016).
Gülens Antrag auf Aufenthaltsgenehmigung wurde vom Einwanderungsbüro in Pennsylvania zweimal abgelehnt. Unter anderem dank Einschaltung zweier einflussreicher CIA-Mitarbeiter, George Fides von der Direktion der Nachrichtendienstzentrale der CIA und Graham Füller, ehemaliges Mitglied des nationalen Rates des Nachrichtendienstes der USA, gelang Gülen der Erwerb der Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung. Mit Unterstützung zahlreicher einflussreicher Personen erhielt er später auch die US-Staatsbürgerschaft.
GÜLENS ORGANISATION GALT ANFANGS ALS BILDUNGSEINRICHTUNG
Die Gülen-Bewegung hat sich seit Ende der 70-er Jahre im Bereich der Privatschulen und Hochschulen weltweit aktiv betätigt. Es wurden beste Absolventen aus den Mittelschulen und Gymnasien aus ärmeren Familien in den Gülen-Internaten und Schulen aufgenommen. Jahrelang wurden sie mit „Gülen-Lehren“ indoktriniert und zu einer fanatischen Anhängerschaft erzogen, ähnlich wie bei der Hitlerjugend. Sie wurden gezielt darauf vorbereitet, in den Militärschulen, Militär- und Polizeiakademien, in den Juristischen Fakultäten und in den politischen Wissenschaften zu studieren. Mittlerweile gilt als erwiesen, dass sie die Prüfungsfragen bei den Aufnahmeprüfungen gestohlen und ihren eigenen Prüfungskandidaten im Voraus gegeben haben. So haben ihre Prüflinge die Prüfungen leicht bestehen können. Manche der Betroffenen haben dies selbst bestätigt.
Erklärtes Ziel der Gülen-Sekte war seit Ende der 70-er Jahre, die Sicherheitskräfte über Armee- und Polizeiakademien, Richter und Staatsanwälte über Absolventen der Jurastudien sowie die Landräte und Provinz-Gouverneure über Politikwissenschaftler Schritt für Schritt unter die eigene Kontrolle zu bringen. Dieses Ziel hat die Gülen-Sekte mit ihren illegalen und unglaublichen Methoden auch erreicht. Es wird von zahlreihen Kennern der Organisation bestätigt, dass heute bei Offizieren und in der Polizei und Richterschaft weit mehr als die Hälfte der Beschäftigten Anhänger dieser Organisation seien.
Zugleich hat diese Organisation rund 50 eigene Zeitungen, Rundfunk- und Fernsehanstalten und Druckereien gegründet. In vielen Wirtschaftsbereichen entstanden hunderte Firmen, die der Gülen-Bewegung nahe stehen. Zehntausende Anhänger und Sympathisanten haben diese Bewegung finanziell unterstützt, in dem Glauben, sie würden im Bildungsbereich sowie für die islamische Religion in der Türkei und weltweit eine gute Arbeit leisten. Dies trifft gerade im Bildungsbereich auch zu.
Allerdings ist dies nur die geschönte Fassade dieser Bewegung. Das Hauptziel ist die Unterwanderung des Staates vom Laizismus hin zu einem angeblich „modern-gemäßigten islamischen Staate.“ Hauptziel ist jedoch die Eroberung der staatlichen Gewalt. Heute wissen wir durch zahlreiche Publikationen aus dem engsten Kreis, dass sie wie ein Geheimbund und mit Verschwörungstaktik gearbeitet haben.
DIE AKP IST FÜR DIE MASSIVE ERSTARKUNG DER GÜLEN-SEKTE VERANTWORTLICH
Die wahren Absichten dieser Sekte wurden von fast allen Regierungen seit Ende 70er Jahren nicht erkannt oder weitestgehend toleriert. In der Regierungszeit von Erdoğan und seiner Partei AKP wurde jedoch die „Gülen-Bewegung“ bis 2013 als engste Verbündete gegen die Fundamente der säkular-laizistisch orientierten Türkischen Republik und gegen die Gründerphilosophie von Atatürk angesehen. Bei der Besetzung wichtiger Posten bei den Sicherheitskräften, im Staatsapparat, bei der Justiz und überall wurden Gülen-Anhänger bevorzugt eingesetzt. Laut Latif Erdoğan hat der Einfluss der Gülen-Organisation in der Regierungszeit der AKP um das 15-Fache zugenommen.
Ohne Zweifel trägt vor allem die Politik Erdoğans und der AKP- Regierungen in den Jahren 2002 bis 2013 eine sehr große Verantwortung für die alarmierende Entwicklung, die letztlich zu dem Putschversuch führte.
Zu einer ersten Zwietracht soll es bei den Parlamentswahlen im Juni 2011 gekommen sein, als die Gülen-Bewegung in den AKP-Listen 150 eigene Abgeordneten-Kandidaten durchsetzen wollte und Erdoğan dies abgelehnt haben soll. Danach begannen weitere Auseinandersetzungen über die Gülen-Privatkurse. Bei den Korruptionsvorwürfen gegen Erdoğan und seine Ministern am 17. und 25 Dezember 2013 kam es dann zu einem Zerwürfnis und politischen Machtkampf zwischen beiden Lagern.
Anfang September diesen Jahres sollten dann im „Hohen Militärrat“ (Yüksek Askeri Şura) die als Anhänger-Gülens geltenden hohen Offiziere aus der Armee entlassen werden. Die Anhänger Gülens wollten mit dem Putschversuch diesen Prozess vereiteln, so die weitverbreiteten Informationen.
Als überzeugter Demokrat und Verteidiger des Rechtstaates, der unabhängigen Justiz, der universalen Menschenrechte, der Presse- und Meinungsfreiheit und des Laizismus als Zement der Republik Türkei, für die ich seit rund 50 Jahren entschieden eintrete, bin ich ohne Wenn und Aber gegen den Putsch und den Putschversuch.
Ich habe die Gülen-Sekte immer als eine Organisation eingestuft, die versucht, die verfassungsmäßig verankerten Gründungsprinzipien der Türkei, den demokratischen, laizistischen und sozialen Rechtsaat zu beseitigen und eine nach Gülens-Vorstellung orientierte Diktatur, einen Kalifaten-Staat, nach dem Vorbild von Chomeini in der Türkei zu errichten.
TAUSENDE SASSEN DURCH KOMPLOTTE DER GÜLEN-SEKTE JAHRELANG IN GEÄNGNISSEN
Längst ist bekannt, dass aufgrund von Komplott und Verleumdung seitens Gülen-Anhängern Hunderte völlig unschuldige Offiziere, Wissenschaftler und Journalisten jahrelang im Gefängnis saßen. Diese Menschen, die eine große Ungerechtigkeit haben erleiden müssen, haben ein Anrecht auf Entschuldigung und Rückgabe ihrer suspendierten Rechte.
Im April 2008 wurden bei dem sogenannten “Ergenekon-Prozess” 275 Personen, im “Balyoz-Prozess” weitere 236 Personen und im „militärischen Spionage-Prozess“ weitere 356 Personen, insgesamt also 867 völlig unschuldige Menschen inhaftiert. Darunter hohe Offiziere, Wissenschaftler, Journalisten, Schriftsteller, gewählte Abgeordnete, wie Haberal und Balbay von der Republikanischen Volkspartei, alles überzeugte Laizisten und Anhänger der Ideen von Atatürk. Viele blieben vier bis fünf Jahre lang im Gefängnis Silivre, 80 Kilometer entfernt von Istanbul. Sie wurden eines geplanten Putsches gegen die Regierung verdächtigt. Erdogan und die Gülen-Bewegung waren in diesen Jahren sehr eng mit einander verbunden und unterstützten gemeinsam die Inhaftierungen bei diesen Prozessen.
Nach fünfjähriger Prozessdauer erhielten Anfang September 2013 viele lebenslängliche oder sehr hohe Strafen von Staatsanwälten und Richtern, die alle Anhänger der Gülen-Bewegung waren. Es war eindeutig, dass bei diesen Scheinprozessen die Oppositionellen eingeschüchtert und mundtot gemacht werden sollten. Manipulierte Telefongespräche, Tonbandaufnahmen, CDs und völlig falsche und erfundene Behauptungen wurden als Begründung vorgeführt.
An einem Tag nahm ich selber viele Stunden an einem Prozess in Silivre teil. Die Szenen im Gericht erinnerten mich an Aufnahmen von Nazi-Prozessen.
Im April 2016 hob der Oberste Gerichtshof den ganzen Ergenekon-Prozess und die 275 Verurteilungen auf. Es folgte der Freispruch in den Prozessen von „Balyoz“ und „Spionage“. Alle Inhaftierten wurden entlassen.
Der hauptverantwortliche Staatsanwalt Zekeriya Öz und manche der Richter flohen daraufhin ins Ausland. Gegen sie läuft seit April dieses Jahres ein Haftbefehl. Dutzende Publikationen belegen im Einzelnen, mit welchen verfälschten und manipulierten Angaben und falschen Zeugenaussagen diese Scheinprozesse stattfanden. Heute ist eindeutig bewiesen, dass hinter diesen Prozessen die Gülen-Sekte und seine Leute standen.
Für ausführliche Informationen über „Ergenekon-, Balyoz- und Spionage-Prozesse“ verweise ich auf die Beiträge bei Wikipedia.