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Cumartesi, Mayıs 25, 2024

Strategische Auslandsüberwachung durch den BND – Absage an die derzeitige Praxis

Symbolbild Überwachung Bild: Pixabay

Die heutige Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts stellt ein Grundsatzurteil über die künftige Auslandsaufklärung des Bundesnachrichtendienstes (BND) dar. 

Elbe Express / Haber Merkezi

Mit den Enthüllungen von Edward Snowden im Jahr 2013 über die staatlichen Programme von Massenüberwachung insbesondere von NSA und GCHQ ist das globale Ausmaß der Auslands-Fernmeldeaufklärung durch Nachrichten- und Geheimdienste öffentlich  bekannt geworden. Telekommunikationsdaten werden zur nachrichtendienstlichen Überwachung anlasslos erhoben und durch Nutzung besonderer Suchbegriffe, sogenannter Selektoren, ausgewertet sowie umfassend zwischen den Geheimdiensten unterschiedlicher Staaten ausgetauscht. Die rechtsstaatliche Kritik an dieser massenhaften Telekommunikationsdatenauswertung von Ausländern im Ausland durch die sogenannte strategische Ausland- zu Ausland-Telekommunikationsüberwachung hat in der Folge eine intensive Diskussion auch über die Beteiligung des Bundesnachrichtendienstes an dieser Praxis ausgelöst.

Das im Jahr 2016 novellierte BND-Gesetz, das zwischenzeitlich die strategische Telekommunikationsüberwachung auf eine gesetzliche Grundlage gestellt hatte und gegen das Verfassungsbeschwerde eingelegt wurde, wurde heute vom Bundesverfassungsgericht in wesentlichen Punkten für verfassungswidrig erklärt. Jedoch besteht eine Frist bis zum 31. Dezember 2021, mit der das Gericht zur Sicherung der politischen Handlungsfähigkeit die Vorschriften fortgelten lässt.

Das Bundesverfassungsgericht weist in seinem heutigen Urteil die verbreitete Auffassung der Praxis zurück, Grundrechte seien im Bereich der Ausland- zu Ausland-Aufklärung nicht anwendbar. Soweit sich die deutsche Staatsgewalt auf Personen, die nicht über die deutsche Staatsangehörigkeit verfügen und sich zudem außerhalb des Staatsgebiets befinden, erstreckt, ist diese gehalten, die Grundrechte als Individualrechtsgarantien, insbesondere Art. 10 Abs. 1 Grundgesetz, auch bei der strategischen Fernmeldeaufklärung zu beachten.

Neben dem formellen Verstoß gegen das sogenannte Zitiergebot wegen Nicht-Benennung der das Grundrecht des Telekommunikationsgeheimnisses einschränkenden Vorschriften des BND-Gesetzes verstoßen die Regelungen zur Fernmeldeaufklärung auch inhaltlich gegen die rechtsstaatlichen Grundsätze der Bestimmtheit und der Verhältnismäßigkeit. Dies gilt entsprechend für die Kooperation mit anderen Geheimdiensten und die Praxis der Datenübermittlung an diese. Zwar macht das Bundesverfassungsgericht deutlich, dass die strategische Auslandsaufklärung durchaus mit dem Grundgesetz vereinbar sein kann. Die momentane Ausgestaltung der Normen, die eine pauschale und geographisch unbegrenzte Überwachung von Individualkommunikation ermöglicht, ist jedoch nicht zulässig. Eine rechtmäßige Auslandsaufklärung erfordert vielmehr klare und bestimmte Vorgaben durch den Gesetzgeber. Die Zwecke der Datenerhebung zur Überwachung sind hinreichend präzise zu bestimmen. U.a. muss die Datenauswertung unverzüglich erfolgen und für die Auswahl der Suchbegriffe und der Auswertung müssen begrenzende Kriterien festgelegt werden. Klare Löschungsverpflichtungen und enge Prüfpflichten sind vorzusehen. Die Datenübermittlung aus der strategischen Überwachung muss künftig mit anlassbezogenen Eingriffsschwellen begrenzt werden. Der bisherige pauschale „Ringtausch“ der Daten mit anderen Geheimdiensten ist künftig so nicht mehr zulässig. Bei der Übermittlung an andere ausländische Stellen muss eine Adäquanzprüfung den rechtsstaatlichen Umgang mit Daten  und die Einhaltung der Menschenrechte auf Empfängerseite sicherstellen. Schließlich muss eine unabhängige Kontrolle der strategischen Auslandsüberwachung erfolgen, die das individuelle Rechtsschutzdefizit gegenüber Nachrichtendiensten kompensiert und gerichtsähnliche Eingriffsbefugnisse gegenüber Überwachungsmaßnahmen bereithält.

Hierzu Johannes Caspar, der Hamburgische Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit: „Das heutige Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist eine späte Antwort auf die Enthüllungen von Edward Snowden. Manchmal braucht der Rechtsstaat einen langen Atem. Das  Urteil ist ein künftiger Gradmesser und Orientierungsrahmen für die Nachrichtendienste im rechtsstaatlichen Gefüge. Es verlängert eine beschränkte staatsgerichtete Sichtweise im Umgang mit Grundrechten auf die universelle Schutzdimension der Menschenrechte. Insbesondere der Austausch von Kommunikationsdaten ausländischer Bürger zwischen unterschiedlichen Nachrichtendiensten ist künftig so nicht mehr möglich. Es kommt nun alles darauf an, wie die neuen Regelungen zur Auslandsaufklärung die vielen verfassungsgerichtlichen Vorgaben umsetzen werden.“

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Elbe Express / Haber Merkezi

Mit den Enthüllungen von Edward Snowden im Jahr 2013 über die staatlichen Programme von Massenüberwachung insbesondere von NSA und GCHQ ist das globale Ausmaß der Auslands-Fernmeldeaufklärung durch Nachrichten- und Geheimdienste öffentlich  bekannt geworden. Telekommunikationsdaten werden zur nachrichtendienstlichen Überwachung anlasslos erhoben und durch Nutzung besonderer Suchbegriffe, sogenannter Selektoren, ausgewertet sowie umfassend zwischen den Geheimdiensten unterschiedlicher Staaten ausgetauscht. Die rechtsstaatliche Kritik an dieser massenhaften Telekommunikationsdatenauswertung von Ausländern im Ausland durch die sogenannte strategische Ausland- zu Ausland-Telekommunikationsüberwachung hat in der Folge eine intensive Diskussion auch über die Beteiligung des Bundesnachrichtendienstes an dieser Praxis ausgelöst.

Das im Jahr 2016 novellierte BND-Gesetz, das zwischenzeitlich die strategische Telekommunikationsüberwachung auf eine gesetzliche Grundlage gestellt hatte und gegen das Verfassungsbeschwerde eingelegt wurde, wurde heute vom Bundesverfassungsgericht in wesentlichen Punkten für verfassungswidrig erklärt. Jedoch besteht eine Frist bis zum 31. Dezember 2021, mit der das Gericht zur Sicherung der politischen Handlungsfähigkeit die Vorschriften fortgelten lässt.

Das Bundesverfassungsgericht weist in seinem heutigen Urteil die verbreitete Auffassung der Praxis zurück, Grundrechte seien im Bereich der Ausland- zu Ausland-Aufklärung nicht anwendbar. Soweit sich die deutsche Staatsgewalt auf Personen, die nicht über die deutsche Staatsangehörigkeit verfügen und sich zudem außerhalb des Staatsgebiets befinden, erstreckt, ist diese gehalten, die Grundrechte als Individualrechtsgarantien, insbesondere Art. 10 Abs. 1 Grundgesetz, auch bei der strategischen Fernmeldeaufklärung zu beachten.

Neben dem formellen Verstoß gegen das sogenannte Zitiergebot wegen Nicht-Benennung der das Grundrecht des Telekommunikationsgeheimnisses einschränkenden Vorschriften des BND-Gesetzes verstoßen die Regelungen zur Fernmeldeaufklärung auch inhaltlich gegen die rechtsstaatlichen Grundsätze der Bestimmtheit und der Verhältnismäßigkeit. Dies gilt entsprechend für die Kooperation mit anderen Geheimdiensten und die Praxis der Datenübermittlung an diese. Zwar macht das Bundesverfassungsgericht deutlich, dass die strategische Auslandsaufklärung durchaus mit dem Grundgesetz vereinbar sein kann. Die momentane Ausgestaltung der Normen, die eine pauschale und geographisch unbegrenzte Überwachung von Individualkommunikation ermöglicht, ist jedoch nicht zulässig. Eine rechtmäßige Auslandsaufklärung erfordert vielmehr klare und bestimmte Vorgaben durch den Gesetzgeber. Die Zwecke der Datenerhebung zur Überwachung sind hinreichend präzise zu bestimmen. U.a. muss die Datenauswertung unverzüglich erfolgen und für die Auswahl der Suchbegriffe und der Auswertung müssen begrenzende Kriterien festgelegt werden. Klare Löschungsverpflichtungen und enge Prüfpflichten sind vorzusehen. Die Datenübermittlung aus der strategischen Überwachung muss künftig mit anlassbezogenen Eingriffsschwellen begrenzt werden. Der bisherige pauschale „Ringtausch“ der Daten mit anderen Geheimdiensten ist künftig so nicht mehr zulässig. Bei der Übermittlung an andere ausländische Stellen muss eine Adäquanzprüfung den rechtsstaatlichen Umgang mit Daten  und die Einhaltung der Menschenrechte auf Empfängerseite sicherstellen. Schließlich muss eine unabhängige Kontrolle der strategischen Auslandsüberwachung erfolgen, die das individuelle Rechtsschutzdefizit gegenüber Nachrichtendiensten kompensiert und gerichtsähnliche Eingriffsbefugnisse gegenüber Überwachungsmaßnahmen bereithält.

Hierzu Johannes Caspar, der Hamburgische Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit: „Das heutige Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist eine späte Antwort auf die Enthüllungen von Edward Snowden. Manchmal braucht der Rechtsstaat einen langen Atem. Das  Urteil ist ein künftiger Gradmesser und Orientierungsrahmen für die Nachrichtendienste im rechtsstaatlichen Gefüge. Es verlängert eine beschränkte staatsgerichtete Sichtweise im Umgang mit Grundrechten auf die universelle Schutzdimension der Menschenrechte. Insbesondere der Austausch von Kommunikationsdaten ausländischer Bürger zwischen unterschiedlichen Nachrichtendiensten ist künftig so nicht mehr möglich. Es kommt nun alles darauf an, wie die neuen Regelungen zur Auslandsaufklärung die vielen verfassungsgerichtlichen Vorgaben umsetzen werden.“

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