Auf die Beschwerden der Freien und Hansestadt Hamburg hat das Oberverwaltungsgericht Hamburg seinen Beschlüssen zwei vorangegangene Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Hamburg geändert und die Eilanträge zweier Betreiberinnen von Fitnessstudios abgelehnt, mit denen diese den Betrieb von im Freien stehenden Zelten zur Sportausübung bzw. eines „Outdoor-Trainingsgeländes“ begehrt hatten.
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Die Antragstellerin eines der Verfahren hat nach Schließung der Räume des von ihr in Hamburg betriebenen Fitnessstudios Zelte auf der Fläche vor ihrem Fitnessstudio sowie auf dessen Dachterrasse aufgestellt, in denen sie unterschiedliche Fitnessgeräte oder anderes Trainingsequipment bereitgestellt hat. Die Antragstellerin des anderen Verfahrens hat u.a. auf dem Parkplatz eines ihrer Studios ein „Outdoor-Trainingsgelände“ errichtet, auf dem ihre Kunden an Fitnessgeräten, mit Hanteln oder Gewichten trainieren können. Beide Antragstellerinnen haben jeweils Hygienekonzepte ausgearbeitet, die u.a. eine Maskenpflicht vorsehen und die Nutzung der Trainingsgeräte bzw. -flächen auf eine bestimmte Anzahl von Kunden beschränken. Die gegen die Untersagung des Trainings im Freien erhobenen Eilanträge waren vor dem Verwaltungsgericht Hamburg erfolgreich.
Das Verwaltungsgericht hatte zur Begründung u.a. ausgeführt, dass der Eingriff in die Berufsfreiheit bei gleichzeitiger Erlaubnis des Sportbetriebs auf öffentlichen oder privaten Sportanlagen nicht gerechtfertigt sei.
Auf die gegen diese Entscheidungen erhobenen Beschwerden der Freien und Hansestadt hat das Oberverwaltungsgericht Hamburg die erstinstanzlichen Entscheidungen geändert und die Eilanträge abgelehnt.
Das Oberverwaltungsgericht hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Das spezielle Sportangebot der Antragstellerinnen unterfalle dem Verbotstatbestand der Coronavirus-Eindämmungsverordnung. Das Verbot sei voraussichtlich verhältnismäßig. Insbesondere sei die Untersagung der Trainingsmöglichkeit in Zelten im Freien bzw. die Schließung des „Outdoor-Trainingsgeländes“ wegen des weiterbestehenden Infektionsrisikos angesichts der aktuellen Entwicklung der Pandemie auch dann noch angemessen, wenn dieses Risiko gering sein sollte. Zum einen komme den Gemeinwohlbelangen, die den Eingriff in die Berufsfreiheit der Antragstellerin rechtfertigten, gegenwärtig ein besonders hohes Gewicht zu. Die Gefahren für Leben und Gesundheit der Bevölkerung, deren Abwehr die Infektionsschutzmaßnahmen wie das streitgegenständliche Verbot dienten, seien kein fernliegendes Risiko, sondern konkret und alltäglich. Zum anderen habe die Antragsgegnerin mit der Hamburgischen Coronavirus-Eindämmungsverordnung ein Gesamtkonzept zur Bewältigung der Coronakrise entwickelt, das sich auf zahlreiche Wirtschafts- und Lebensbereiche belastend auswirke. Zwar erscheine es im Rahmen des Gesamtkonzepts der Coronavirus-Eindämmungsverordnung durchaus zweifelhaft, dass das von den Antragstellerinnen angebotene Training als Teil eines Fitnessstudios auch bei Einhaltung strenger Hygienevorgaben nicht stattfinden dürfe, während Dienstleistungen mit Körperkontakt (wie Kosmetikstudios, Massagesalons, Tattoo-Studios) erlaubt seien.
Das Oberverwaltungsgericht könne aber nicht feststellen, dass der Verordnungsgeber mit der aktuellen Regelung den ihm eingeräumten Einschätzungsspielraum überschritten habe. Denn der Verordnungsgeber habe sich bewusst für ein Stufenmodell der Öffnung entschieden, um im Rahmen eines Modellversuchs zu untersuchen, ob strenge Hygieneauflagen verbunden mit einem System der Testungen von Personal und Kundinnen und Kunden als Maßnahmen des Infektionsschutzes geeignet seien und bei der Öffnung in anderen Bereichen eingesetzt werden könnten. Dieser bewussten Entscheidung des Verordnungsgebers, einen abgegrenzten Bereich als Experimentierfeld für zukünftige Öffnungsstrategien auszuwählen, komme angesichts der weiterhin bestehenden Ungewissheiten über die Wirksamkeit der Infektionsschutzmaßnahmen im Hinblick auf die sich ausbreitenden Virusvarianten besondere Bedeutung zu, um Öffnungsperspektiven im Rahmen eines effektiven Infektionsschutzes entwickeln zu können und gleichzeitig Gefährdungen für den Gesundheitsschutz der Bevölkerung zu beschränken. Der Verordnungsgeber müsse dabei aber seinen Beobachtungs- und Evaluationsverpflichtungen, die im Hinblick auf den Experimentiercharakter des Regelungskonzepts gesteigert sein dürften, weiterhin nachkommen.
Es verstoße auch nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, dass der Verordnungsgeber entschieden habe, Fitnessstudios auch im Freien für den Publikumsverkehr zu schließen, während nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Coronavirus-Eindämmungsverordnung Sport im Freien insbesondere auf und in allen öffentlichen und privaten Sportanlagen allein, zu zweit oder mit den Angehörigen des gemeinsamen Haushalts ausgeübt werden dürfe. Denn der Betrieb eines Fitnessstudios im Freien sei – wie das Angebot der Antragstellerinnen exemplarisch zeige – nicht mit der Ausübung von Individualsport auf Sportanlagen im Freien vergleichbar.
Diese Entscheidungen sind unanfechtbar.