Für die Studie „Kontinuität und Wandel der Schule in Krisenzeiten“ (KWiK) werden Schulleiterinnen und Schulleiter gefragt, wie sie die Herausforderungen der Corona-Pandemie meistern. Erste Ergebnisse zeichnen ein positives Bild, zeigen aber auch Nachholbedarf auf.
elbeXpress / Haber Merkezi
Im März 2020 wurde im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie in allen Bundesländern der reguläre Schulbetrieb eingestellt. Die Schließung der Schulen und die damit verbundene Umstellung des Unterrichts auf ein Lehren und Lernen von zu Hause aus – aber auch die Wiederaufnahme des Schulbetriebs nach der mehrwöchigen Pause – beanspruchten die Schulen in vielerlei Hinsicht. Die erneuten Schulschließungen im November 2020 stellten die Schulen vor weitere Herausforderungen. Sie mussten und müssen tragfähige Lösungen finden, um diese Ausnahmesituation zu bewältigen.
Für die Studie „Kontinuität und Wandel der Schule in Krisenzeiten“ (KwiK), an der die Universität Hamburg, das Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik in Kiel (IPN) und die International Association for the Evaluation of Educational Achievement (IEA) beteiligt sind, wurden dazu im Sommer und Frühherbst 2020 zunächst rund 800 Schulleiterinnen und Schulleiter von Grund- und Sekundarschulen in sieben Bundesländern zum Unterricht in Zeiten der Corona-Pandemie und zu ihren Erfahrungen und Lösungsansätzen in der Praxis befragt.
Die Kommunikation konnte im Lockdown aufrechterhalten werden, Schülerinnen und Schüler wurden von den Schulen erreicht
Die Kommunikation während der Schulschließung im Frühjahr 2020 – sowohl innerhalb des Kollegiums als auch mit der Elternschaft und den Schülerinnen und Schülern – hat nach Einschätzung der Befragten weitgehend reibungslos funktioniert. Knapp 40 Prozent der Schulleiterinnen und Schulleiter geben an, dass alle Schülerinnen und Schüler erreicht wurden, knapp die Hälfte der Befragten gibt an, dass 90 Prozent erreicht werden konnten. Nur 3,6 Prozent der Schulleitungen berichten, dass weniger als 80 Prozent der Schülerinnen und Schüler erreicht werden konnten.
Grundschulen haben sich bei der Bereitstellung von Unterrichtsmaterialien mehr auf die Kernfächer konzentriert, während in der Sekundarstufe I versucht wurde, möglichst viele Fächer zu bedienen. Bei der Übermittlung der Lehrmaterialien wurden von Grundschulen eher analoge Wege gewählt (Abholung oder Lieferung der Materialien, Postversand), in der Sekundarstufe I wurden dagegen häufiger digitale Wege wie Datenaustauschportale oder die Übersendung per E-Mail genutzt.
Prof. Dr. Ingrid Gogolin, Erziehungswissenschaftlerin und Sprecherin der Studie von der Universität Hamburg: „Die Schulen haben technisch-methodisch vielfältige Lösungen für die Herausforderungen des Fernunterrichts gefunden. Was jedoch auffällt ist, dass dialogische und kooperative Formate im Unterschied zum Präsenzlernen nur wenig umgesetzt werden. Der Frontalunterricht erlebt ein teilweise notgedrungenes Revival.“
Digitale Ausstattung der Familien: Benachteiligte Schülerinnen und Schüler benötigen Unterstützung
Die Angaben der befragten Schulleiterinnen und Schulleiter können optimistisch stimmen, weisen aber auch Probleme aus. So schätzt rund die Hälfte der Befragten, dass die Mehrzahl der Eltern ihre Kinder beim häuslichen Lernen am digitalen Gerät unterstützen können. Auf der anderen Seite aber geben fast zwei Drittel an, dass nach ihrem Eindruck bis zu 20 Prozent der Schülerinnen und Schüler zuhause nicht über die nötige digitale Ausrüstung für das Distanzlernen verfügen. Vor allem Schülerinnen und Schüler aus ohnehin benachteiligten Familien sind nach Einschätzung der Schulleitungen davon betroffen. Prof. Dr. Ingrid Gogolin: „Wir achten in der Studie besonders auf Diversität in der Schülerschaft. Da sehen wir: Kinder und Jugendliche aus sozioökonomisch benachteiligten Familien, Familien mit Migrationshintergrund oder mit sonderpädagogischem Förderbedarf scheinen schlechter erreicht worden zu sein. Diese Schülerinnen und Schüler benötigen deutlich mehr Unterstützung, ganz einfach angefangen mit einem digitalen Endgerät.“
Nach dem ersten Lockdown: Schulen gleichen durch Zusatzangebote Lernverluste aus
Viele Schulen haben während der zwischenzeitlichen Wiedereröffnung im letzten Sommer und Herbst zusätzliche Angebote für die Lernenden bereitgestellt, um die durch den Lockdown erlittenen Verluste auszugleichen. Die Angebote der Grundschulen nahmen mit den zusätzlichen Angeboten vor allem benachteiligte Kinder in den Blick. Schulen der Sekundarstufe I machten verstärkt Angebote, um die IT-Kenntnisse der Schülerinnen und Schüler zu fördern.
Nach dem Lockdown war vor dem Lockdown: Schulen fühlten sich gut vorbereitet
Fast alle befragten Schulleiterinnen und Schulleiter (97 Prozent) geben an, sich nach der ersten pandemiebedingten Schulschließung auf einen erneuten Lockdown vorbereitet zu haben. 94 Prozent (Sekundarstufe I) bzw. 84 Prozent (Primarstufe) geben an, dass sie sich auf weitere Phasen von Fernunterricht einstellen. Nach Ansicht von Studienleiter Olaf Köller „stimmen diese Befunde optimistisch, dass die Schulen auch gut durch die schwierige Zeit im Frühjahr und Sommer 2021 kommen.“
KWiK-Studie
Die KWiK-Studie ist ein Gemeinschaftsprojekt der Universität Hamburg (Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Ingrid Gogolin), des IPN – Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik (Prof. Dr. Olaf Köller) und der IEA – International Association for the Evaluation of Educational Achievement (Dr. Dirk Hastedt). Um die Schulen, die an der Studie teilnehmen, in ihrer Entwicklungsarbeit zu unterstützen, werden diese Woche die ersten wissenschaftlichen Erkenntnisse an sie zurückgemeldet. Im nächsten Schritt folgen die Auswertungen zu den offenen Fragen im Fragebogen für die Schulleiterinnen und Schulleiter. Zudem soll die Studie auf Lehrkräfte sowie gegebenenfalls auch auf Schülerinnen und Schüler und deren Eltern ausgeweitet werden.