Um zu erfahren, wie Hamburgs Pädagoginnen und Pädagogen, Eltern sowie Schülerinnen und Schüler die derzeitige Schulsituation bewerten, hat die Schulbehörde vor drei Wochen eine Online-Befragung gestartet. An der Online-Befragung, die vom Institut für Bildungsmonitoring und Qualitätsentwicklung (IfBQ) in Zusammenarbeit mit der Hamburger Elternkammer entwickelt wurde, haben sich innerhalb von acht Tagen insgesamt 20.423 der rund 650.000 Eltern, Schülerinnen und Schülern sowie Pädagogen beteiligt, darunter 13.886 Eltern, 3.201 Pädagogen sowie 3.336 Schüler ab 14 Jahren. Die Befragung zeigt: Alle Gruppen empfinden die Zeit von den Märzferien bis heute überwiegend als „anstrengend“. Kinder und Jugendliche bewerten die Situation allerdings etwas positiver, umgekehrt fühlen sich Eltern von Grundschülern und Lehrkräfte am stärksten belastet. Insgesamt geben die Schülerinnen und Schüler dem derzeitigen Unterrichtsangebot die Schulnote 3,3, die Pädagoginnen und Pädagogen bewerten es mit 3,6 und die Eltern mit Note 3,9.
Elbe Express / Haber Merkezi
Bildungssenator Ties Rabe: „Wie zu erwarten, ist die Zufriedenheit der Eltern mit dem Fernunterricht nach so langer Zeit zurückgegangen. Das zeigt, dass der Anfangselan der Eltern mit der Zeit deutlich nachgelassen hat. Trotzdem schätzen die Beteiligten die Digitalisierung insgesamt positiv ein. Rund 95 Prozent der Schülerinnen und Schüler über 14 Jahre geben an, ein Smartphone zu besitzen und haben Lust, Smartphone, Laptops und Tablets zum Lernen zu nutzen. Wie zu erwarten bewerten gerade Eltern von jüngeren Kindern die Möglichkeiten des Fernunterrichts besonders skeptisch, während umgekehrt ältere Schülerinnen und Schüler an den Gymnasien den Fernunterricht positiver bewerten. Von allen Gruppen wünschen sich die Lehrkräfte am stärksten den Präsenzunterricht zurück, die Schülerinnen und Schüler sind hier etwas zurückhaltender. Dennoch bin ich zusammen mit der großen Mehrheit aller Gruppen froh, dass die Schule nach den Sommerferien wieder öffnet.“
Marc Keynejad, Vorsitzender der Elternkammer: „Diese zweite Umfrage hat ergeben, dass die Zufriedenheit der Eltern mit dem Fernunterricht um 30 Prozent zurückgegangen ist. Die verständliche Freude über die in Aussicht gestellte Rückkehr zum Präsenzunterricht darf jedoch nicht dazu verführen, zur Schule wie vor der Krise zurückzukehren. Vielmehr müssen Lehren aus den vergangenen 13 Wochen gezogen und in neue Unterrichtskonzepte umgewandelt werden. Die regelmäßigste Tätigkeit im Fernunterricht besteht noch immer aus der Bearbeitung von Arbeitsblättern. Nicht zuletzt, um die – durch die Fernbeschulung entstandenen – Lücken zu schließen, kommt dieser Forderung eine besondere Bedeutung zu. Kinder, die durch die Krise benachteiligt wurden müssen jetzt wieder aufgefangen werden. Zwei Wochen Ferienschule werden das alleine nicht leisten können.“
Die Fragebögen umfassten jeweils rund 30 Einzelfragen für Eltern und Kinder sowie 60 Fragen für Pädagogen. Ziel der Befragung war es, Einblick in die aktuelle Schulsituation zu ermöglichen und Wege zur Verbesserung des Fern- und Präsenzunterrichts aufzuzeigen. Gefragt wurde beispielsweise danach, wie es den Beteiligten mit dem Präsenz- und Fernunterricht geht, welche digitalen Mittel im Fernunterricht genutzt werden und welche Erfahrungen im veränderten Präsenzunterricht gemacht wurden.
Alle Akteursgruppen beschreiben die vergangenen drei Monate überwiegend als „anstrengend“. Schülerinnen und Schüler scheinen der aktuellen Situation aber auch etwas abgewinnen zu können und bewerten diese entsprechend positiver als die Erwachsenen. Insbesondere die Schüler an Gymnasien geben an, dass sie sich freuen, gerade dann lernen zu können, wann sie es möchten. Diese Wahrnehmung teilen auch die Eltern von Gymnasiasten. Gleichwohl freuen sich nicht nur die Schüler, sondern auch die Lehrkräfte, darüber, dass die Schule wieder offen ist.
An der rund einwöchigen Befragung haben insgesamt 20.423 Personen teilgenommen. Darunter 13.886 Eltern, 3.201 Pädagoginnen und Pädagogen sowie 3.336 Schülerinnen und Schüler ab 14 Jahren. Bei den Eltern beteiligten sich überproportional viele Eltern von Grundschülern, bei den Kindern und Jugendlichen sind insbesondere Schülerinnen und Schüler von Gymnasien vertreten.
Den Lernfortschritt im Fernunterricht beurteilen die Pädagoginnen und Pädagoginnen überwiegend ähnlich zum Präsenzunterricht. Jedoch sorgen sich insbesondere die Pädagoginnen und Pädagogen an Stadtteilschulen um den Lernfortschritt ihrer Schülerinnen und Schüler. Insgesamt gibt über die Hälfte der Pädagoginnen und Pädagogen über alle Schulformen hinweg an, sich um den Lernfortschritt ihrer Schülerinnen und Schüler Sorgen zu machen, den sie als abhängig vom elterlichen Engagement wahrnehmen. Unter den befragten Eltern besteht tendenziell dieselbe Sorge.
Eltern von Grundschulkindern fühlen sich am stärksten belastet. Mit zwei Dritteln geben am häufigsten Eltern und Erziehungsberechtigte von Kindern in der Grundschule an, dass sie die derzeitige Situation als belastend empfinden. Sie geben besonders häufig an, dass sie ihr Kind mehr als normalerweise unterstützen müssten und es aufgrund der Fernbeschulung vermehrt zu Konflikten zwischen ihnen und ihrem Kind komme. Tendenziell besser bewerten die Eltern von Schülerinnen und Schülern an weiterführenden Schulen, insbesondere an Gymnasien die Situation im Fernunterricht.
Die technischen Voraussetzungen für einen erfolgreichen Fernunterricht sind nach Auskunft der Beteiligten überwiegend gegeben. Nach Einschätzungen der Pädagoginnen und Pädagogen haben im Mittel nur vier Prozent ihrer Schülerinnen und Schüler keinen Internetzugang. Im Vergleich geben die Pädagoginnen und Pädagogen von Stadtteilschulen am häufigsten an, dass die Schülerinnen und Schüler nicht die technischen Voraussetzungen haben, um regelmäßig am digital unterstützten Fernunterricht teilzunehmen.
Die Pädagoginnen und Pädagogen thematisieren in offenen Antwortfeldern über alle Schulformen hinweg das Bedürfnis nach verbesserter Hard- und Softwareausstattung für ihre Schülerinnen und Schüler – und für sich selbst. Fast alle der befragten Schülerinnen und Schüler ab 14 Jahren besitzen mindestens ein eigenes Smartphone, sodass zumindest die Kommunikation im Fernunterricht sichergestellt ist. Ihr Smartphone nutzen die Schülerinnen und Schüler auch zum Austausch mit ihren Mitschülerinnen und Mitschülern. Die Pädagoginnen und Pädagogen wünschen sich zur Erleichterung der Kommunikation innerhalb des Kollegiums vor allem ein digitales Lernmanagementsystem.
Unklarheiten bestehen nach Angabe der Schülerinnen und Schüler sowie der Pädagoginnen und Pädagogen insbesondere hinsichtlich der Bewertung von Lernleistungen im Fernunterricht. Diesbezüglich berichten auch die Pädagogen von Unsicherheiten und wünschen sich eine entsprechende Handreichung. Erstaunlich sind die unterschiedlichen Einschätzungen der verschiedenen Gruppen zu denselben Fragestellungen. 50 Prozent der Schülerinnen und Schüler geben an, nicht zu wissen, wie ihre Lehrerinnen und Lehrer sie beurteilen, obwohl die Lehrkräfte ihrerseits zurückmelden, darüber mit ihren Schülerinnen und Schülern regelmäßig zu sprechen. Die Einschätzung von Lehrkräften und Schülern bezüglich der Regelmäßigkeit der Leistungsrückmeldung divergieren stark. Knapp die Hälfte der Schüler geben an, kein regelmäßiges Feedback zu bekommen, jedoch geben knapp 80 Prozent der Pädagogen an, dies zu tun.
Dennoch berichten die Pädagoginnen und Pädagogen ebenso, dass sie auch im Fernunterricht Maßnahmen zur individuellen Förderung durchführen. Eltern sind jedoch mehrheitlich der Überzeugung, dass ihre Kinder nicht entsprechend Ihre individuellen Stärken und Schwächen gefördert werden. Zudem werden Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf – laut Einschätzung der Eltern – in der aktuellen Situation schlechter als vor den Märzferien unterstützt.
Alles in allem deutet die Online-Befragung von Eltern, Pädagoginnen und Pädagogen sowie Schülerinnen und Schülern darauf hin, dass die aktuelle Situation als belastend empfunden wird. Deutlich wird, dass die Schülerinnen und Schüler in hohem Maße affin für Digitales sind. Die Lehrkräfte äußern den Wunsch nach einer noch besseren digitalen Ausstattung. Wird diese grundsätzliche Offenheit für digitales Lernen genutzt, könnte in der Folge auch ein Beitrag zur Entlastung der Familien geleistet werden. Diese Entlastung dient nicht nur den Eltern, sondern kommt letztlich auch den Schülerinnen und Schülern zugute, um deren Wohlergehen sich die Pädagoginnen und Pädagogen sorgen.
Vollständiger Bericht: https://www.hamburg.de/bsb/ifbq/bliz