Die Hamburger Steuerverwaltung hat verschiedene Berechnungsbeispiele vorgenommen und kommt zu dem Schluss, dass die Beziehenden von Kurzarbeitergeld keinesfalls regelhaft mit Nachzahlungen rechnen müssen.
Finanzsenator Dr. Andreas Dressel: „Es ist nicht in Ordnung, wenn durch Falschinformationen und Fehlinterpretationen Unruhe und Sorgen in viele Hamburger Familien hineingetragen werden. Die allermeisten Empfängerinnen und Empfänger von Kurzarbeitergeld müssen keine hohen Steuernachforderungen fürchten. Die einbehaltende Lohnsteuer ist nicht identisch mit der später ermittelten Jahressteuerschuld – sie ist höher. Es wird also in den meisten Fällen keine Nachzahlungen geben, sondern lediglich weniger hohe Erstattungen als ohne den Progressionsvorbehalt.“
Die Abgabe einer Steuererklärung bei Erhalt von Kurzarbeitergeld ist verpflichtend, sie ist gesetzlich vorgeschrieben. Kurzarbeitergeld unterliegt dem Progressionsvorbehalt; dieses war im vergangenen Jahr breit politisch auf Bundesebene erörtert worden und ist deshalb wenig überraschend. Dies gilt auch für andere Lohnersatzleistungen, wie z. B. Krankengeld, Elterngeld, Arbeitslosengeld etc. Dies bedeutet, dass auf das zu versteuernde Einkommen der Steuersatz angewendet wird, der sich ergeben würde, wenn das zu versteuernde Einkommen um die Summe der Lohnersatzleistungen – hier des Kurzarbeitergeldes – erhöht würde. Diese Ausgestaltung des Steuertarifs ist dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit geschuldet.
Ein Beispiel: Ein Arbeitnehmer, der ein zu versteuerndes Einkommen von 36.000 € erzielt, unterliegt der vollen Besteuerung (im Jahr 2020 rd. 7.095 € = 19,71 %).
Ein Arbeitnehmer, der ein zu versteuerndes Einkommen von 30.000 € erzielt und zusätzlich Lohnersatzleistungen in Höhe von 6.000 Euro erhalten hat, zahlt weniger Steuern als bei einem Lohn von 36.000 €, sein Steuersatz für die 30.000 € beträgt aber ebenfalls 19,71 % = 5.912 €. Der Kurzarbeiter zahlt somit 1.183€ weniger an Steuern – trotz Progressionsvorbehalt.
Im Regelfall errechnen sich für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer durch die teilweise Nichtbeschäftigung Steuererstattungsansprüche. Denn beim Lohnsteuerabzug wird unterstellt, dass der Arbeitnehmer im gesamten Kalenderjahr so viel verdient wie im Lohnabrechnungszeitraum. Ist das nicht der Fall, liegt ein zu hoher Lohnsteuerabzug vor, der bei der Veranlagung erstattet wird. Der Progressionsvorbehalt bewirkt lediglich, dass sich dieser Erstattungsanspruch vermindert. Zu Steuernachzahlungen kann es dagegen nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen kommen.
In der Medienberichterstattung wurde häufig fälschlicherweise die Jahressteuerschuld mit der Summe der einbehaltenen Lohnsteuer gleichgesetzt. Damit wird der zu hohe Lohnsteuerabzug und der sich daraus ergebende Erstattungsanspruch zu Unrecht ausgeblendet.
Unabhängig davon ist zu bedenken, dass jeder Steuerfall individuell betrachtet werden muss. Es liegen oft höhere als die im Lohnsteuerabzugsverfahren bereits integrierten Werbungskosten von 1.000 € oder Sonderausgaben von 36 € vor. Hinzu kommen ggf. weitere steuermindernde außergewöhnliche Belastungen und beispielsweise Handwerkerleistungen u. ä.
Im Rahmen der Veranlagung von Ehegatten bietet sich an, zu prüfen, ob eine Zusammenveranlagung oder die Einzelveranlagung von Ehegatten zu einem günstigeren Ergebnis führt.
Wegen der im Einzelfall möglichen Nachzahlungen empfiehlt z. B. der Bundesverband der Lohnsteuerhilfevereine, beim Bezug von Lohnersatzleistungen – egal welcher Art – hiervon einen kleinen Anteil von 10-15% für etwaige Steuernachforderungen zurückzulegen.