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Pazar, Nisan 21, 2024

ERKAN ŞAHİN: DIE TÜRKEI NACH DER WAHL…

erkan1ERKAN ŞAHİN: DIE TÜRKEI NACH DER WAHL…

Nach dem die Koalitionsverhandlungen nach der Wahl im Juni gescheitert waren, waren ca. 50 Mio. Menschen in der Türkei aufgerufen erneut ein neues Parlament zu wählen.

Die islamisch-konservative AKP, die im Juni noch ihre absolute Mehrheit verlor, gewann mit knapp 9% Stimmenzuwachs die Wahl und kann wieder alleine regieren. Allerdings gibt es erhebliche Zweifel an der Echtheit dieser Ergebnisse.

Die sozialdemokratisch-kemalistische CHP blieb konstant bei 25%. Die nationalistische MHP verlor gut 3% und die prokurdische HDP übersprang zwar die 10% Hürde musste aber auch deutliche Stimmenverluste hinnehmen wie die MHP.

Um diese Ergebnisse verstehen zu können, müssen wir uns den Wahlabend am 07.06.2015 detaillierter angucken. Nach zahlreichen Skandalen und Korruptionsvorwürfen verlor die AKP ihre absolute Mehrheit. Die Armut und Arbeitslosenquote wächst stetig. Die Wirtschaft stagniert und steht vor einem Kollaps. Reformen gibt es seit Jahren nicht mehr. Hinzukommt der „Friedensprozess“ mit den Kurden, bei dem Kritiker davon ausgehen, dass es in erster Linie darum geht, dass der inhaftierte PKK-Anführer Öcalan freigelassen und Erdogan durch eine Verfassungsänderung sein Präsidialsystem bekommen soll. Dafür benötigt er aber die Stimmen der Kurden.

Zum ersten Mal schaffte die pro-kurdische HDP den Sprung über die 10%-Hürde. Die MHP stieg auf 16%. Rechnerisch gesehen hatte die Opposition damit eine regierungsbildende Mehrheit, die schon am Wahlabend durch den Vorsitzenden der MHP Devlet Bahceli zu Nichte gemacht wurde, in dem er erklärte, dass jegliche Zusammenarbeit mit der HDP nicht in Frage komme. Alle Bemühungen der Sozialdemokraten Bahceli zu überzeugen scheiterten, obwohl die HDP erklärte eine Minderheitenregierung aus CHP und MHP unterstützen zu wollen.

Nach dem die CHP mit der AKP Koalitionsgespräche führte und diese Letzen Endes scheiterten, weigerte sich Erdogan die CHP mit einer Regierungsbildung zu beauftragen.

Schon seit Beginn der Verhandlungen gab es erhebliche Zweifel, ob die AKP sich in eine Koalition begibt, in dem die Korruptionsvorwürfe gegenüber der Familie von Erdogan in einer Untersuchungskommission neu aufgerollt werden sollten. Daher kann man mit großer Gewissheit sagen, dass die Verhandlungen zwischen AKP und CHP an Erdogan gescheitert sind.

Erdogan, der sich öffentlich auch immer gegen eine Koalition ausgesprochen hatte, kündigte den Friedensprozess mit den Kurden und der PKK auf und stürzte das Land in ein Chaos, welcher mehr als 400 Tote forderte. Seine Aussagen, dass diese Dinge nicht passiert wären, hätte ihm das Volk die benötigten 400 Abgeordneten (für eine Verfassungsänderung) gegeben, unterstrich den Vorwurf, dass die Angriffe und die Berge von Toten durch Erdogan organisiert und aus rein wahltaktisches Gründen seien.

Durch Scheinangriffe auf PKK-Stellungen in Syrien und Nordirak versuchte er die nationalistischen Wähler zurückzugewinnen, obwohl sein Premier Davutoglu öffentlich erklärte, dass die PKK im Zuge des Friedensprozesses seinen Waffenbestand aufgestockt und sich mittlerweile überwiegend in den türkischen Städten befinden würde.

Die Angriffe der PKK nutze Erdogan aus, um sich als starken Mann zu positionieren, ohne den es keinen Frieden geben könne. Auch die Angriffe gegenüber der IS sind als reines wahltaktisches Manöver zu verstehen. Bislang sind 2-3 Angriffe auf IS-Stellungen in Syrien bekannt. Das Attentat in Ankara mit mehr als 100 Toten verfestigte die Sichtweise der Menschen, dass das Land ins Chaos stürzen würde, wenn Erdogan nicht alleine regiere. Auch wenn ein IS-Ableger mit dem Attentat in Verbindung gebracht wurde, gibt es noch weiterhin offene Fragen, die die Regierung nicht beantwortet. Premierminister Davutoglu bezeichnete nach dem Attentat die IS als „undankbar“ und warf mehr Fragen bezüglich des Attentates auf, als er beantwortete.

Einen weiteren wichtigen Faktor für den Erfolg der AKP finden wir in der Tatsache, dass die HDP ein Glaubwürdigkeitsproblem hat. Im Westen präsentiert sich die Partei weltoffen, liberal, links, während sie im Osten des Landes, bedingt durch ihre Wählerschaft eher ein konservatives Bild abgibt. Die HDP hat es bislang noch nicht geschafft, eine klare Grenze zwischen sich und die PKK zu ziehen, da noch viele Sympathisanten der PKK in der HDP aktiv Politik betreiben. Auch das Image, dass sie jahrelang mit der AKP (damals als BDP) zusammengearbeitet hat, wird sie nicht los.

Die Frage, warum denn so viele Kurden wieder AKP gewählt haben, liegt im oben beschriebenen Bild versteckt. Nach neuesten Umfragen will ein Großteil der Kurden in der Türkei friedlich mit den Türken zusammenleben. Die Angriffe der PKK, welche auch viele kurdisch-stämmigen Soldaten das Leben gekostet hat, hat der HDP diese Stimmenverluste zugefügt.

Als Fazit kann man sagen, dass die PKK als Handlanger Erdogan in die Hände gespielt hat. Die von ihr ausgerufene einseitige Waffenruhe kam zu spät.

Die größte Oppositionspartei CHP hat es wiederum geschafft, sich inhaltlich neu aufzustellen und alle Bevölkerungsgruppen anzusprechen, hat allerdings zwei wesentliche Probleme. Zum einen ein Führungsproblem, zum anderen wird sie das Image der Anti-Religionspartei nicht los, welches Erdogan gerne und häufig in seinen Wahlkampfreden benutzt. Auch die Tatsache, dass der Vorsitzende der CHP Kilicdaroglu Alevite ist, verfestigt diese Auffassung.

Kemal Kilicdaroglu hat es zwar geschafft, die Partei inhaltlich neu zu positionieren, wirkt aber sehr nüchtern und gilt nicht als großer Redner, der die Massen hinter sich vereinen kann. Die Stimmenzuwächse der CHP in den letzten Wahlen sind zwar ihm zu verdanken, allerdings reichten sie nicht für eine Regierungsbildung. Sein persönliches Ziel, die CHP zur absoluten Mehrheit zu führen, hat er verfehlt.

Als Fazit muss man sagen, dass die am 01. November stattgefundenen Wahlen und der Wahlkampf sehr ungleichmäßig geführt wurden. Die HDP und CHP verzichteten auf Großkundgebungen nach dem Attentat in Ankara, weil der Staat nicht mehr als Garant für die Sicherheit der Menschen galt. Die MHP als Neinsager-Partei bot keine ernstzunehmende Alternative für eine mögliche Regierungsbildung nach dem 01. November. Die Medien, fest in Erdogans Hand, waren sehr sporadisch mit Oppositionspolitikern besetzt. Repressalien und Drohungen gegenüber Journalisten und andersdenkende haben die Einschüchterungspolitik der AKP weiter intensiviert. Die Vorwürfe um Wahlmanipulationen im großen Stil, das Auszählen von 50 Mio. Stimmen innerhalb von 2 Stunden, das Abschalten der Internetseite des Hohen Wahlrates lassen eine große Skepsis zurück.

Am Ende haben viele Faktoren eine Rolle gespielt, warum die AKP ihre absolute Mehrheit zurückgewonnen hat. Die Menschen in der Türkei haben sich für den einfachen Weg entschieden, mit dem Ziel keine Leichensärge von Gefallenen Soldaten und Selbstmordattentaten sehen und erleben zu müssen. Sie haben sich allerdings wenig bis gar keine Gedanken gemacht, was mit einer alleinregierenden AKP noch auf sie zukommen wird.

 

 

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Die sozialdemokratisch-kemalistische CHP blieb konstant bei 25%. Die nationalistische MHP verlor gut 3% und die prokurdische HDP übersprang zwar die 10% Hürde musste aber auch deutliche Stimmenverluste hinnehmen wie die MHP.

Um diese Ergebnisse verstehen zu können, müssen wir uns den Wahlabend am 07.06.2015 detaillierter angucken. Nach zahlreichen Skandalen und Korruptionsvorwürfen verlor die AKP ihre absolute Mehrheit. Die Armut und Arbeitslosenquote wächst stetig. Die Wirtschaft stagniert und steht vor einem Kollaps. Reformen gibt es seit Jahren nicht mehr. Hinzukommt der „Friedensprozess“ mit den Kurden, bei dem Kritiker davon ausgehen, dass es in erster Linie darum geht, dass der inhaftierte PKK-Anführer Öcalan freigelassen und Erdogan durch eine Verfassungsänderung sein Präsidialsystem bekommen soll. Dafür benötigt er aber die Stimmen der Kurden.

Zum ersten Mal schaffte die pro-kurdische HDP den Sprung über die 10%-Hürde. Die MHP stieg auf 16%. Rechnerisch gesehen hatte die Opposition damit eine regierungsbildende Mehrheit, die schon am Wahlabend durch den Vorsitzenden der MHP Devlet Bahceli zu Nichte gemacht wurde, in dem er erklärte, dass jegliche Zusammenarbeit mit der HDP nicht in Frage komme. Alle Bemühungen der Sozialdemokraten Bahceli zu überzeugen scheiterten, obwohl die HDP erklärte eine Minderheitenregierung aus CHP und MHP unterstützen zu wollen.

Nach dem die CHP mit der AKP Koalitionsgespräche führte und diese Letzen Endes scheiterten, weigerte sich Erdogan die CHP mit einer Regierungsbildung zu beauftragen.

Schon seit Beginn der Verhandlungen gab es erhebliche Zweifel, ob die AKP sich in eine Koalition begibt, in dem die Korruptionsvorwürfe gegenüber der Familie von Erdogan in einer Untersuchungskommission neu aufgerollt werden sollten. Daher kann man mit großer Gewissheit sagen, dass die Verhandlungen zwischen AKP und CHP an Erdogan gescheitert sind.

Erdogan, der sich öffentlich auch immer gegen eine Koalition ausgesprochen hatte, kündigte den Friedensprozess mit den Kurden und der PKK auf und stürzte das Land in ein Chaos, welcher mehr als 400 Tote forderte. Seine Aussagen, dass diese Dinge nicht passiert wären, hätte ihm das Volk die benötigten 400 Abgeordneten (für eine Verfassungsänderung) gegeben, unterstrich den Vorwurf, dass die Angriffe und die Berge von Toten durch Erdogan organisiert und aus rein wahltaktisches Gründen seien.

Durch Scheinangriffe auf PKK-Stellungen in Syrien und Nordirak versuchte er die nationalistischen Wähler zurückzugewinnen, obwohl sein Premier Davutoglu öffentlich erklärte, dass die PKK im Zuge des Friedensprozesses seinen Waffenbestand aufgestockt und sich mittlerweile überwiegend in den türkischen Städten befinden würde.

Die Angriffe der PKK nutze Erdogan aus, um sich als starken Mann zu positionieren, ohne den es keinen Frieden geben könne. Auch die Angriffe gegenüber der IS sind als reines wahltaktisches Manöver zu verstehen. Bislang sind 2-3 Angriffe auf IS-Stellungen in Syrien bekannt. Das Attentat in Ankara mit mehr als 100 Toten verfestigte die Sichtweise der Menschen, dass das Land ins Chaos stürzen würde, wenn Erdogan nicht alleine regiere. Auch wenn ein IS-Ableger mit dem Attentat in Verbindung gebracht wurde, gibt es noch weiterhin offene Fragen, die die Regierung nicht beantwortet. Premierminister Davutoglu bezeichnete nach dem Attentat die IS als „undankbar“ und warf mehr Fragen bezüglich des Attentates auf, als er beantwortete.

Einen weiteren wichtigen Faktor für den Erfolg der AKP finden wir in der Tatsache, dass die HDP ein Glaubwürdigkeitsproblem hat. Im Westen präsentiert sich die Partei weltoffen, liberal, links, während sie im Osten des Landes, bedingt durch ihre Wählerschaft eher ein konservatives Bild abgibt. Die HDP hat es bislang noch nicht geschafft, eine klare Grenze zwischen sich und die PKK zu ziehen, da noch viele Sympathisanten der PKK in der HDP aktiv Politik betreiben. Auch das Image, dass sie jahrelang mit der AKP (damals als BDP) zusammengearbeitet hat, wird sie nicht los.

Die Frage, warum denn so viele Kurden wieder AKP gewählt haben, liegt im oben beschriebenen Bild versteckt. Nach neuesten Umfragen will ein Großteil der Kurden in der Türkei friedlich mit den Türken zusammenleben. Die Angriffe der PKK, welche auch viele kurdisch-stämmigen Soldaten das Leben gekostet hat, hat der HDP diese Stimmenverluste zugefügt.

Als Fazit kann man sagen, dass die PKK als Handlanger Erdogan in die Hände gespielt hat. Die von ihr ausgerufene einseitige Waffenruhe kam zu spät.

Die größte Oppositionspartei CHP hat es wiederum geschafft, sich inhaltlich neu aufzustellen und alle Bevölkerungsgruppen anzusprechen, hat allerdings zwei wesentliche Probleme. Zum einen ein Führungsproblem, zum anderen wird sie das Image der Anti-Religionspartei nicht los, welches Erdogan gerne und häufig in seinen Wahlkampfreden benutzt. Auch die Tatsache, dass der Vorsitzende der CHP Kilicdaroglu Alevite ist, verfestigt diese Auffassung.

Kemal Kilicdaroglu hat es zwar geschafft, die Partei inhaltlich neu zu positionieren, wirkt aber sehr nüchtern und gilt nicht als großer Redner, der die Massen hinter sich vereinen kann. Die Stimmenzuwächse der CHP in den letzten Wahlen sind zwar ihm zu verdanken, allerdings reichten sie nicht für eine Regierungsbildung. Sein persönliches Ziel, die CHP zur absoluten Mehrheit zu führen, hat er verfehlt.

Als Fazit muss man sagen, dass die am 01. November stattgefundenen Wahlen und der Wahlkampf sehr ungleichmäßig geführt wurden. Die HDP und CHP verzichteten auf Großkundgebungen nach dem Attentat in Ankara, weil der Staat nicht mehr als Garant für die Sicherheit der Menschen galt. Die MHP als Neinsager-Partei bot keine ernstzunehmende Alternative für eine mögliche Regierungsbildung nach dem 01. November. Die Medien, fest in Erdogans Hand, waren sehr sporadisch mit Oppositionspolitikern besetzt. Repressalien und Drohungen gegenüber Journalisten und andersdenkende haben die Einschüchterungspolitik der AKP weiter intensiviert. Die Vorwürfe um Wahlmanipulationen im großen Stil, das Auszählen von 50 Mio. Stimmen innerhalb von 2 Stunden, das Abschalten der Internetseite des Hohen Wahlrates lassen eine große Skepsis zurück.

Am Ende haben viele Faktoren eine Rolle gespielt, warum die AKP ihre absolute Mehrheit zurückgewonnen hat. Die Menschen in der Türkei haben sich für den einfachen Weg entschieden, mit dem Ziel keine Leichensärge von Gefallenen Soldaten und Selbstmordattentaten sehen und erleben zu müssen. Sie haben sich allerdings wenig bis gar keine Gedanken gemacht, was mit einer alleinregierenden AKP noch auf sie zukommen wird.

 

 

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